Artikel in der HAZ vom 9. Februar 2024:
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Deutschland hat laut des Thünen-Instituts in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich landwirtschaftliche Fläche verloren: Im Durchschnitt mehr als 50 ha pro Tag – das entspricht rund 70 Fußballfeldern. Im Gegenzug haben Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie Waldgebiete zugenommen, heißt es in einer Pressemitteilung. Auch wenn dies die Nahrungsversorgung des Landes nicht akut gefährde, so sei Landwirtschaftsfläche eine kostbare und schützenswerte Ressource.
Gerade in Mitteleuropa seien die Flächen fruchtbarer und ertragreicher als in den meisten anderen Regionen der Welt. Daher trage auch Deutschland eine globale Verantwortung für den Schutz fruchtbarer Ackerflächen zur Nahrungsmittelproduktion und sollte eine Vorreiterrolle in der nachhaltigen Bodennutzung einnehmen. In einer jetzt erschienenen Studie hat das Thünen-Institut geschätzt, wie viel Landwirtschaftsfläche bis 2030 für andere Nutzungszwecke in Anspruch genommen wird, wenn die aktuellen Planungen und Strategien Realität werden. So würden bis 2030 mehr als 200.000 ha für Siedlung und Verkehr benötigt, wenn der im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ formulierte Bedarf umgesetzt werde.
Der geplante Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der Freiflächen-Photovoltaik, werde bis 2030 mehr als 100.000 ha Freifläche beanspruchen. Gleichzeitig würden für Biodiversität und Klimaschutz immer größere Flächen für naturnahe Lebensräume und Kohlenstoffsenken gefordert. Diese Ansprüche erfordern laut der Studie Flächennutzungsänderungen wie Aufforstungen, Gehölzpflanzungen und die Wiedervernässung von Mooren, die sich auf mehr als 500.000 ha summieren.
Die Autoren vom Thünen-Institut gehen davon aus, dass nur ein Teil dieser Umnutzungen die aktuell landwirtschaftlich genutzte Fläche betreffen wird. Unter der Annahme, dass die formulierten Ziele bis 2030 erreicht werden, erwarten sie dennoch einen Rückgang von über 300.000 ha landwirtschaftlicher Fläche. Das seien 109 ha pro Tag und damit mehr, als ein durchschnittlich großer Landwirtschaftsbetrieb bewirtschafte (derzeit 64 ha).
„Es ist dringend erforderlich, dass die Nutzungsansprüche stärker miteinander in Einklang gebracht werden. Synergien und Mehrfachnutzungen von Flächen sollten so weit wie möglich realisiert werden,“ sagte Bernhard Osterburg, der federführende Autor der Studie. Beispiele hierfür seien der verstärkte Ausbau der Photovoltaik auf Siedlungs- und Verkehrsflächen, auf wiedervernässten Mooren oder in Kombination mit landwirtschaftlicher Nutzung. „Wenn der Ausbau von Freiflächen-Photovoltaik entlang von Autobahnen und Bahntrassen baurechtlich privilegiert wird, beschleunigt dies zwar den Ausbau, fördert aber die Umwandlung von Landwirtschaftsflächen, ohne solche Synergien zu nutzen“, betonte der Thünen-Wissenschaftler.
Die Herausforderung für die Politik liegt laut dem Thünen-Institut in der Abwägung und Steuerung der vielfältigen Flächenansprüche, ohne dabei das Tempo der Energiewende und der Transformation zu einer nachhaltigeren und klimafreundlicheren Landnutzung zu bremsen. Hierfür sei eine umfassende Landnutzungspolitik notwendig, die alle Ziele gleichermaßen berücksichtige.
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